„Gartenstraßen lösen keine Wohnungsknappheit“ – Ein Gespräch mit Mathias Mühlhofer über den neuen Stadtentwicklungsplan für Wien

Vor kurzem hat die Stadt Wien ihren neuen Stadtentwicklungsplan für die kommenden zehn Jahre vorgestellt. Wir haben mit Mathias Mühlhofer, Vorstand der IMMOBILIENRENDITE AG, darüber gesprochen, wie er die Pläne der Stadt einschätzt und ob sie aus Sicht des Immobilienexperten wirklich sinnvoll, umsetzbar und vor allem lösungsorientiert sind.
Katharina Weidinger
„Gartenstraßen lösen keine Wohnungsknappheit“ – Ein Gespräch mit Mathias Mühlhofer über den neuen Stadtentwicklungsplan für Wien
© Grüne Immobilien

Herr Mühlhofer, was ist Ihr erster Eindruck vom neuen Wiener Stadtentwicklungsplan?
Ich bin leider sehr skeptisch, ob den vielen schönen Worten auch entsprechende Taten folgen werden. Damit meine ich nicht, ob sie tatsächlich die angekündigten „Gartenstraßen“ umsetzen – das werden sie mit Sicherheit. Aber ich frage mich, ob der Plan die wirklichen Probleme der Stadt adressieren und lösen kann.

Worin sehen Sie die größten Schwächen des Plans?
Wien wächst rasant – hunderttausende Menschen sind bereits dazugekommen, und noch mehr werden folgen. Trotzdem fehlt dem Stadtentwicklungsplan ein echter Ansatz, wie und wo all diese Menschen künftig wohnen und arbeiten sollen. Die angeführten Stadtentwicklungsgebiete stehen zum Großteil schon im Plan von vor zehn Jahren. Damals hatte Wien 100.000 Einwohner:innen weniger. Die damalige Prognose, dass Wien in 15 Jahren zwei Millionen erreicht, wurde in der halben Zeit Realität. Dennoch wurden die Pläne nicht angepasst.

Was vermissen Sie konkret?
Am meisten enttäuscht bin ich darüber, dass das Thema Nachverdichtung im Bestand kaum eine Rolle spielt. Dabei wäre genau das die effektivste Strategie: dort zu bauen, wo bereits Infrastruktur vorhanden ist – Straßen, U-Bahn, Kanalisation, Schulen, Kindergärten. Das spart Ressourcen, vermeidet zusätzliche Flächenversiegelung und ist nachhaltiger als neue Gebiete zu erschließen.

Was bedeutet Nachverdichtung für Sie in der Praxis?
Ganz konkret: ein zweistöckiges Haus bekommt zwei Stockwerke dazu, ein vierstöckiges wird sechsstöckig. Auch ein Gartenhaus in einem begrünten Innenhof könnte einem mehrstöckigen Gebäude weichen. Natürlich ist das für Anrainer:innen oft unangenehm, aber ohne diesen Schritt wird die Stadt den Wohnraumbedarf nicht decken können. Leider traut sich die Wiener Politik an dieses heiße Eisen derzeit nicht heran.

Wie steht es Ihrer Meinung nach um die gesetzlichen Rahmenbedingungen?
Die aktuelle Flächenwidmung stammt aus den 1970ern – einer Zeit, in der Wien geschrumpft ist und rund 1,5 Millionen Einwohner:innen hatte. Damals wurde vielerorts der Bestand konserviert: Ein dreistöckiges Haus wurde auf drei Stockwerke beschränkt, selbst wenn daneben vierstöckige Gebäude stehen. Diese Restriktionen gelten bis heute. Wer eine Ausnahme beantragt, wird schnell als „gieriger Spekulant“ abgestempelt – die Behörden sind stolz darauf, solche Anfragen abzulehnen.

Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern?
Wir brauchen ein radikales Umdenken. Die wachsende Stadt benötigt Wohnraum, Arbeitsplätze, Kindergärten, Supermärkte – und zwar dort, wo die Menschen tatsächlich hinziehen. Wenn die Politik jetzt nicht reagiert, werden wir in wenigen Jahren mit einer massiven Wohnraumknappheit konfrontiert sein. Die Folge: überhöhte Mieten, soziale Spannungen und ein zunehmender Pendlerverkehr aus dem Umland – das alles kann und sollte verhindert werden.

Was ist Ihr Appell an die Politik?
Die Stadt braucht jetzt klare und mutige Entscheidungen. Mehr Nachverdichtung im Bestand ist die nachhaltigste und schnellste Lösung, um der wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden. Gartenstraßen und Radwege sind schön, aber sie ersetzen keine Wohnungen.