Herr Mühlhofer, was ist Ihr erster
Eindruck vom neuen Wiener Stadtentwicklungsplan?
Ich
bin leider sehr skeptisch, ob den vielen schönen Worten auch entsprechende
Taten folgen werden. Damit meine ich nicht, ob sie tatsächlich die
angekündigten „Gartenstraßen“ umsetzen – das werden sie mit Sicherheit. Aber
ich frage mich, ob der Plan die wirklichen Probleme der Stadt adressieren und
lösen kann.
Worin sehen Sie die größten
Schwächen des Plans?
Wien
wächst rasant – hunderttausende Menschen sind bereits dazugekommen, und noch
mehr werden folgen. Trotzdem fehlt dem Stadtentwicklungsplan ein echter Ansatz,
wie und wo all diese Menschen künftig wohnen und arbeiten sollen. Die
angeführten Stadtentwicklungsgebiete stehen zum Großteil schon im Plan von vor
zehn Jahren. Damals hatte Wien 100.000 Einwohner:innen weniger. Die damalige
Prognose, dass Wien in 15 Jahren zwei Millionen erreicht, wurde in der halben
Zeit Realität. Dennoch wurden die Pläne nicht angepasst.
Was vermissen Sie konkret?
Am
meisten enttäuscht bin ich darüber, dass das Thema Nachverdichtung im Bestand
kaum eine Rolle spielt. Dabei wäre genau das die effektivste Strategie: dort zu
bauen, wo bereits Infrastruktur vorhanden ist – Straßen, U-Bahn, Kanalisation,
Schulen, Kindergärten. Das spart Ressourcen, vermeidet zusätzliche
Flächenversiegelung und ist nachhaltiger als neue Gebiete zu erschließen.
Was bedeutet Nachverdichtung für
Sie in der Praxis?
Ganz
konkret: ein zweistöckiges Haus bekommt zwei Stockwerke dazu, ein vierstöckiges
wird sechsstöckig. Auch ein Gartenhaus in einem begrünten Innenhof könnte einem
mehrstöckigen Gebäude weichen. Natürlich ist das für Anrainer:innen oft
unangenehm, aber ohne diesen Schritt wird die Stadt den Wohnraumbedarf nicht
decken können. Leider traut sich die Wiener Politik an dieses heiße Eisen
derzeit nicht heran.
Wie steht es Ihrer Meinung nach um
die gesetzlichen Rahmenbedingungen?
Die
aktuelle Flächenwidmung stammt aus den 1970ern – einer Zeit, in der Wien
geschrumpft ist und rund 1,5 Millionen Einwohner:innen hatte. Damals wurde
vielerorts der Bestand konserviert: Ein dreistöckiges Haus wurde auf drei
Stockwerke beschränkt, selbst wenn daneben vierstöckige Gebäude stehen. Diese
Restriktionen gelten bis heute. Wer eine Ausnahme beantragt, wird schnell als
„gieriger Spekulant“ abgestempelt – die Behörden sind stolz darauf, solche
Anfragen abzulehnen.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach
ändern?
Wir
brauchen ein radikales Umdenken. Die wachsende Stadt benötigt Wohnraum,
Arbeitsplätze, Kindergärten, Supermärkte – und zwar dort, wo die Menschen
tatsächlich hinziehen. Wenn die Politik jetzt nicht reagiert, werden wir in
wenigen Jahren mit einer massiven Wohnraumknappheit konfrontiert sein. Die
Folge: überhöhte Mieten, soziale Spannungen und ein zunehmender Pendlerverkehr
aus dem Umland – das alles kann und sollte verhindert werden.
Was ist Ihr Appell an die Politik?
Die
Stadt braucht jetzt klare und mutige Entscheidungen. Mehr Nachverdichtung im
Bestand ist die nachhaltigste und schnellste Lösung, um der wachsenden
Bevölkerung gerecht zu werden. Gartenstraßen und Radwege sind schön, aber sie
ersetzen keine Wohnungen.